16.07.2025
Erlebnisberichte

Transatlantische Transformationen: Jacob Eder über prägende Erfahrungen im amerikanischen Heartland

Jacob Eder | Fulbright-Studienstipendiat 2005/2006

Vor zwanzig Jahren führte ihn ein Fulbright-Stipendium aus München nach Lincoln, Nebraska - heute ist Jacob Eder Professor für Geschichte mit einem Schwerpunkt auf Erinnerungskultur und transatlantischen Beziehungen. Im Rahmen des diesjährigen Frankly-Schwerpunkts „Transatlantic Transformation“ blickt er auf seine Zeit an der University of Nebraska-Lincoln zurück und erzählt, wie dieses prägende Jahr seinen akademischen Weg entscheidend beeinflusste.

Im Gespräch berichtet Eder, wie ihn das Leben im „Heartland“ der USA aus seiner Komfortzone holte, welche Rolle das Mentoring seines Gastgebers Alan E. Steinweis spielte – und warum ihm seither kein Kulturschock mehr etwas anhaben kann. Seine jüngste Rückkehr nach Nebraska wurde dabei zur persönlichen Zeitreise, bei der Erinnerungen auf aktuelle Herausforderungen im akademischen Austausch trafen. Ein Gespräch über Perspektivwechsel, Biografie und die bleibende Relevanz transatlantischer Verbindungen.

Welche prägende Erfahrung während deines Fulbright-Jahres in Nebraska hat deine berufliche Laufbahn aus heutiger Sicht am meisten beeinflusst?

Als ich in Nebraska ankam, war ich schon recht weit in meinem Studium der Geschichte und Amerikanistik fortgeschritten, aber noch unschlüssig, welche berufliche Laufbahn ich einschlagen würde. Eigentlich hat mich Journalismus genauso interessiert wie die Wissenschaft. Im Rückblick war es dann nicht eine einzelne Erfahrung, sondern das Fulbright-Jahr insgesamt sowie die Chancen, die sich direkt im Anschluss für mich ergeben haben, aufgrund derer ich mich für eine wissenschaftliche Laufbahn entschieden habe. Prägend war vor allem das exzellente Mentoring, das ich an der Uni in Lincoln genießen durfte. Mein Gastgeber Alan E. Steinweis hat mich auch sehr dabei unterstützt, dass ich von Nebraska aus direkt im Anschluss erst für ein Fellowship nach Washington, D.C. und dann weiter an die University of Pennsylvania für die Promotion ziehen konnte.

Gab es Begegnungen mit ehemaligen Kommiliton:innen oder Professor:innen, die für dich besonders bedeutungsvoll waren?

Meine Gastgeber von vor 20 Jahren sind mittlerweile an andere Universitäten gewechselt, aber ich habe immerhin eine Professorin wiedergesehen, bei der ich 2005 mein erstes Seminar belegt hatte. Damals war sie ganz neu als Assistant Professor an die Uni gekommen, ich kann mich noch gut daran erinnern. Dass wir uns 20 Jahre später kollegial zum Abendessen treffen und über viele Jahre Unialltag reflektieren können, war wirklich sehr schön, auch wenn wir auf beiden Seiten des Atlantiks momentan mit großen Herausforderungen und Ungewissheiten konfrontiert sind. 

Inwiefern hat deine Zeit in Nebraska dein inhaltliches Interesse/Ausrichtung beeinflusst, und siehst du Parallelen zwischen deiner damaligen und heutigen Tätigkeit?

Ich beschäftige mich bis heute intensiv mit dem, was man die „Nachgeschichte” des Holocaust nennen kann, in der Regel spricht man auch von Erinnerungskultur, Vergangenheitsbewältigung, Memorialisierung usw. Während meines Fulbright-Jahres in Nebraska habe ich mich vor allem mit amerikanischen Perspektiven auf dieses Themenfeld befasst. Alan E. Steinweis, mein Gastgeber, hatte kurz vor meiner Ankunft einen Aufsatz mit dem Titel „Reflections on the Holocaust from Nebraska” geschrieben, das fand ich wirklich hochinteressant, gerade als deutscher Geschichtsstudent. Warum sollte man überhaupt in Nebraska an den Holocaust erinnern und wie genau musste man sich das eigentlich vorstellen? Mir wurde während dieses Jahres erst so richtig klar, wie global und universalisiert die Erinnerung an den Holocaust im Jahr 2005 breits war, und dass wir die Entwicklung dahin nur verstehen können, wenn wir auf die internationalen oder transnationalen Gemeinsamkeiten, Unterschiede und Wechselwirkungen schauen.

Herzlichen Dank, lieber Jacob, für das offene und reflektierte Gespräch sowie dafür, dass du deine Erfahrungen und Eindrücke mit uns geteilt hast. Dein Weg zeigt eindrucksvoll, wie nachhaltig ein Fulbright-Jahr wirkt – akademisch und persönlich.